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Date: 2001-09-18

Datenschutz als Terroristenschutz?


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q/depesche 01.9.18/3

Datenschutz als Terroristenschutz?

Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel ortet Spannungen zwischen
Datenschutz und politischem Aktionismus in Deutschland. Tenor:
"Mit welchen zusätzlichen geheimdienstlichen Befugnissen hätte
man denn erkennen sollen, dass das Terroristen sind?"

Auszüge aus der Reportage "Geistige Molotow-Cocktails" vom
17. September: exzerpiert von 8ademeister

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Mit Aktionismus Handlungsfähigkeit demonstrieren

"Das Muster ist durchgängig das gleiche", sagt der
sicherheitspolitische Berater der grünen Bundestagsfraktion
Christian Busold : "Nach Anschlägen bricht immer Aktionismus aus.
Bei der jeweiligen Opposition, die der Regierung Versagen vorwirft,
und bei der Regierung, die Handlungsfähigkeit beweisen will."
(...)

Alles scheint möglich und im Angesicht des Terrors auch politisch
opportun und damit durchsetzbar. Doch Busold fürchtet, nach Anschlägen
würden stets "Sicherheitsversprechen abgegeben, die ohnehin nicht zu
halten sind".

"Unauffällige Personen" rastern

Richtungswahl in Hamburg? Denn dort hat Innensenator Olaf Scholz
längst begonnen, aus der Tat politisches Kapital zu schlagen. Bei
Pressekonferenzen, in denen er seine Polizei lobt, gibt sich als
harter Bekämpfer des Terrorismus, fordete gar eine Rasterfahndung
für "solche unauffälligen Personen" wie die Attentäter und versuchte
so seinem rechtspopulistischen Herausforderer Schill das Wasser
abzugraben. (...)

Auf Vorschlag von Innenminister Otto Schily (SPD) soll auch das
Religionsprivileg im Vereinsrecht gestrichen werden, um extremistische
Organisationen, die sich als Religionsgemeinschaften tarnen, verbieten
zu können. (...)

Die Regierung überlegt auch, wie terroristischen Organisationen der
Geldhahn zugedreht werden kann. (...) Dazu will das Kabinett am Mittwoch
eine Grundsatzentscheidung treffen. Banken könnte in diesem Zusammenhang
eine Auskunftspflicht auferlegt werden.

Für einen starken Staat

Schily-Sprecher Rainer Lingenthal erklärte am Montag, man müsse aufpassen,
dass sich "Datenschutz nicht als Terroristenschutz auswirkt". Der
stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Wolfgang Bosbach (CDU),
will eine "große Koalition in der Inneren Sicherheit. Es muss aufhören,
dass diejenigen beschimpft werden, die einen starken Staat wollen".

Jede Person identifizierbar

Schily warnte zwar am Sonntag: "Man kann auch eine Stimmung erzeugen,
die die Sicherheitslage verschlechtert." Im gleichen Atemzug treibt er
aber das Nachdenken über die Innere Sicherheit massiv voran: Er
wiederholte seine Einschätzung, "dass sich die Grenzziehung zwischen
polizeilichen und militärischen Mitteln verändern wird". Außerdem würde
es niemanden schaden, wenn es nicht nur ein Foto gäbe im Pass, "sondern
auch einen Fingerabdruck". Es verletze seines Erachtens weder die
Menschenwürde noch den Datenschutz und die Bewegungsfreiheit, wenn ein
Staat darauf bestehe, dass eine Person identifizierbar sein muss.

Untaugliche "alte Sachen" wieder ausgraben

Auch der Bundesbeauftragte für Datenschutz Joachim Jacob befürchtet,
dass eine neue Zeit anbricht: verdachtsunabhängige, umfassende
Aufzeichnungen und jahrelange Speicherungen von Telefongesprächen
und Internetverbindungen; Videoüberwachung im öffentlichen Raum;
Observierung von Wohnungen mit Videokameras; verdachtsunabhängige
Personenkontrolle: "Da werden jetzt lauter alte Sachen wieder
ausgegraben, die man schon mal im Konsens für untauglich erklärt
hatte", so Jacob. (...)

"Mir sind keine Lücken bei uns bekannt. Staatlichen Behörden sind
bereits alle Möglichkeiten eingeräumt worden. Wenn ein Anfangsverdacht
besteht, ist es schon heute möglich, alle Informationen zu bekommen."
Statt Befugniserweiterungen zu fordern, sollte zunächst danach gefragt
werden, ob die bestehenden Möglichkeiten überhaupt ausgeschöpft werden.

Dabei werde nicht darüber nachgedacht, ob irgendeins dieser Mittel
wirklich dazu beitragen könne, terroristische Anschläge zu verhindern.

Im Hinblick auf die mutmaßlichen Terroristen, die als Studenten in
Hamburg gelebt haben, sagt er: "Mit welchen zusätzlichen
geheimdienstlichen Befugnissen hätte man denn erkennen sollen, dass
das Terroristen sind?"

Das bringt auch Schily ins Grübeln. Haben die deutschen Schlapphüte
versagt? Der Innenminister will die gesamte Aufklärungsstrategie der
Geheimdienste überprüfen. (...)

Die Akteure ringen noch: Geben sie der Versuchung nach, mit starker
Hand, härtere Gesetze durchzupeitschen? Psychologen warnen vor einer
Fata Morgana: Ein politischer Wettlauf um Konzepte und Gesetze schaffe
nicht Sicherheit, sondern neue Unsicherheit - weil sie die Verunsicherten
in ihrer Verunsicherung bestärken.

Volltext unter:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,157765,00.html


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edited by Harkank
published on: 2001-09-18
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